184
§. 69. Die Macht der Chalifcn.
logischen Partei benützt; waren sie kräftig, so griffen sie nicht
selten in die Rechte und selbst in die Lehren der Kirche ein.
So kam es oft zu heillosen Verwirrungen, die manchmal selbst
mit Blutvergießen endeten.
Bei diesen Zwisten waren auch die Mönche sehr thätig.
Das Mönchswesen war im Orient, vom Klima be-
günstigt, schon im 3. Jahrhundert n. Chr. aufgekommen, und
zwar zuerst in Ägypten durch den Einsiedler Antonius,
der ganze Gesellschaften zum Eremitenleben vereinigte; dann
durch Pachomius, der das eigentliche Klosterleben auf-
brachte, dessen Mitglieder wegen ihrer äußerst strengen Ent-
haltsamkeit bei der Welt große Verehrung erlangten. Und
allerdings waren die Klöster der Ausbreitung der Kirche sehr-
förderlich, wiewohl es auch nicht fehlen konnte, daß sich bei
ihrer Vermehrung im Orient auch viele Auswüchse und Ver-
irrungen damit verbanden.
Im 5. Jahrhundert kam das Klosterwesen nach dem Abend-
lande, wo theils das abkühlende Klima, theils der geordnetere
Geist der abendländischen Kirche ihm eine andere und zum
Thcil bessere Einrichtung gab, die es zu Anfang des 6. Jahr-
hunderts durch den h. Benedict von Nursia bekam, der
seinen Klostergeistlichen Armuth, Keuschheit und Gehorsam
zur Grundregel machte und mit dem Beten das Arbeiten und
Studieren verbinden ließ. Die Klöster boten in der Zerrüttung
und Finsterniß jener Zeiten Unterweisung den Trostbedürftigen
und Unwissenden, Pflege den Armen und Kranken, Zuflucht
den Verlassenen und Bedrängten; förderten die Kultur des
Bodens, bewahrten die Reste der Wissenschaft, und legten
überall die Keime christlicher Bildung, deren Entwickelung
dann späterhin andere Anstalten übernahmen.
2. Die Macht der Chalifen.
69. Aa nun im oströmischen Reiche das Christenthum so
mannigfaltigen Ausartungen unterlag, die alten Religionen
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Extrahierte Personennamen: Antonius Antonius Benedict_von_Nursia
210 §. 76. Die Kirche in ihrer tiefsten Erniedrigung.
brochen, indem der griechische Patriarch in Constantinopel,
Michael Cerularius, durch seinen Streit mit dem Papste
in Rom, und die darauffolgende gegenseitige Verdammung
imjahre 1053 die Lostrennung der morgenländischen
oder griechischen Kirche von der abendländischen
oder römischen (lateinischen) herbeiführte. — In der
römischen Kirche trat hierauf im 12. Jahrhundert ein heftiger,
bis zu Gewaltthätigkeiten gehender Gegensatz gegen den welt-
lichen Einfluß der Geistlichkeit auf, wurde aber durch die
Verbrennung Arnolds von Brescia, der in Rom eine
kirchlich-politische Reform bezweckte, unterdrückt.
Das verweltlichte Leben des größten Theiles der Geist-
lichkeit jener Zeit war allerdings nur geeignet, den in allen
Ständen eingerissenen Verfall der Sittenzucht zu beschleunigen.
Obgleich mehrere Päpste diesem Übel ernstlich zu steuern such-
ten, so gab es doch auch manche, die selber ihre hohe Würde
so entehrten, daß es kein Wunder war, wenn sich immer mehr
Stimmen gegen die vorhandenen Mißbräuche vernehmen ließen,
wie z. B. gegen das Ende des 14. Jahrhunderts in England
die Angriffe Wikleff's (Wpthcliffe's) auf das Ansehen des
Papstes und auf mehrere Kirchenlehren.
Den größten Schaden erlitt aber die römische Kirche durch
das in der letzten Hälfte des 14. Jahrhunderts eingetretene
päpstliche Schisma, indem nämlich schon unter Karl Iv
zwei Päpste, der eine zu Avignon in Frankreich, der andere
zu Rom, aufstanden und sich gegenseitig verfluchten, so daß
die ganze abendländische Christenheit gespalten und in große
Verwirrung und Roth versetzt wurde. Und als nachher vol-
lends noch ein dritter Papst (in Spanien) hinzukam, und
alle drei sich zur Erhaltung ihres Hofes die größten Geld-
erpressungen erlaubten, so wurde die Sehnsucht nach einer
Verbesserung der Kirche an Haupt und Gliedern
immer stärker, und in ganz Europa der Wunsch, daß man
durch ein Concilium helfen möchte, immer lauter und allge-
meiner.
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Extrahierte Personennamen: Michael_Cerularius Karl_Iv Karl Roth
Extrahierte Ortsnamen: Constantinopel Rom Brescia Rom England Avignon Frankreich Rom Spanien Europa
tz. 80. England.
223
gen aber und die Grafschaft Burgund (Franche-Comté)
durch die Vermählung der Tochter Karl's, Maria mit
Maximilian (dem nachmaligen deutschen Kaiser), an
das österreichische Haus kamen. — Bei Ludwig's Xi Tode
war Frankreich in eine volle Monarchie übergegangen.
4. England.
80. Die von den Angelsachsen gestifteten sieben König-
reiche (s. §. 66 a. E.), in welchen seit dem Ende des 7.
Jahrhunderts, vornehmlich durch die Bemühungen Papst
Gregors des Großen, das von den heidnischen An-
gelsachsen zerstörte Christenthum wieder aufkam und die be-
kehrten Eroberer sich der von einem guten Geiste beseelten
Kirche fügten, wurden 827 von König Egbert in Ein
Reich vereinigt, das aber nicht im Stande war, die unauf-
hörlichen Angriffe der eingedrungenen Dänen abzuwehren,
bis gegen das Ende des 9. Jahrhunderts Alfred der
Grohe sie besiegte und ihre Besitzungen beschränkte.
Alfred war für England das, was Karl der Große für
das Frankenreich war: er sicherte die Gränzen des Reichs,
ordnete die Rechtspflege, stellte Kirchen, Klöster und Schulen
her, ließ sich die Ausbildung der Landessprache angelegen
sepn und sorgte auf alle Weise für die Bildung des Volks.
Unter seinen Nachfolgern kehrten die Angriffe der Dänen
wieder, so daß König Edelred Ii sich gezwungen sah, auf
einige Zeit nach der Normandie zu seinem Schwiegervater
zu fliehen, und daß sein älterer Sohn sogar das Reich mit
dem Dänenkönige Kanut 1016 theilen mußte, worauf die-
ser sich zuletzt zum Alleinherrn von England machte, Christ
wurde und nach der Erwerbung Dänemarks und der Erobe-
rung Norwegens alle drei Reiche mit Weisheit und Gerech-
tigkeit regierte.
Nach dem Tode seiner Söhne aber kam England an Edel-
red's jüngern Sohn, Eduard d e n B e k e n n e r. Dieser
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Extrahierte Personennamen: Maria Maria Maximilian_( Maximilian Gregors König_Egbert Alfred Alfred Karl_der_Große Karl Eduard_d Eduard
Extrahierte Ortsnamen: England Frankreich England England England Norwegens England
244
Z 88. Fortgang der Reformation.
Gegnern, der allenthalben die lebhafteste Theilnahme erregte.
Um die Sache zu unterdrücken, ließ der Papst Luthern zuerst
durch den Legaten Ca je tan, dann durch den Gesandten
v. Miltiz zum Widerruf auffordern. Luther, unter dem
Schutze seines Landesherrn, verweigerte ihn, versprach aber
zu schweigen, wenn auch seinen Gegnern Schweigen auferlegt
würde. Aber sein Hauptgegner, der Professor der Theologie
zu Ingolstadt, 0. Eck, schwieg nicht, sondern forderte
Luthern zu einer Disputation in Leipzig heraus, in
welcher Luther Äußerungen that, durch die er sich nicht bloß
dem Papste, sondern der römischen Kirche selbst entgegensetzte.
Während Eck nun nach Rom gieng, um dem Papste die
Gefahr der Kirche vorzustellen, mehrte sich Luther's Anhang
außerordentlich, indem der Bürg erstand in den meisten
Städten, ein großer Theil des niedern Adels und die Mehr-
zahl der H u m a n i st e n d. i. derjenigen Gelehrten, die das
Studium der alten Sprachen betrieben, auf seiner Seite war.
Dadurch ermuthigt, schrieb Luther zwei neue Schriften, worin
er die römische Kirche in ihrem tiefsten Innern angriff, und
womit er in noch weiteren Kreisen Zuneigung und Zustim-
mung erlangte.
Freilich kam jener Beifall nicht bei Alten einzig aus der
Quelle des Glaubens; insbesondere suchten Franz von
Sickingen, Ulrich von Hutten und deren Freunde die
Reformation zugleich zur Erreichung politischer Zwecke zu
benützen, die dahin giengen, dem Adel seine, durch den Land-
frieden gehemmte Ungebundenheit und durch die Fürstenmacht
geminderte Bedeutung wieder zu gewinnen. Luther selbst
aber entzog sich ihren Anerbietungen, dem Evangelium ihre
weltlichen Waffen zu leihen, durch die Mißbilligung jeder
Gewalt in Sachen des Wortes Gottes.
Jetzt aber, nachdem Luther die Fundamente des Papst-
thums und der römischen Kirche also angegriffen, sprach der
Papst den Bann über Luther's Lehren aus und verurtheilte
seine Schriften zum Feuer. Da berief sich Luther auf ein
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Extrahierte Personennamen: Franz_von
Sickingen Franz Ulrich_von_Hutten
Extrahierte Ortsnamen: Legaten_Ca Ingolstadt Leipzig Rom Bürg Gottes
24(5
§. 89. Fortgang der Reformation.
zu verantworten. Vor dem Kaiser in der Versammlung der
Neichsfürsten und Reichsprälaten vom'päpstlichen Legaten
zum Widerruf aufgefordert, erklärte er, daß er nicht wider-
rufen könne, es sey denn, daß man ihn aus der heil. Schrift
widerlege, worauf er seine glaubensmuthige Rede mit den
Worten schloß: „Hier stehe ich; ich kann nicht anders, Gott
helfe mir! Amen."
Hierauf erklärte der Kaiser den bereits mit dem Banne
belegten Luther auch in die Reichs acht, und befahl, daß
nach Ablauf des Geleites gegen ihn als Ketzer verfahren
werden solle. Daher ließ Kurfürst Friedrich Luthern, um ihn
gegen seine Feinde zu schützen, heimlich auf die Wartburg
bringen, wo er ein Jahr lang in der Verborgenheit lebte,
und einen Theil des neuen Testaments übersetzte. Als aber
der fanatische Eifer des l). B o d e n st e i n (aus Carlstadt)
eine B ild erstürm er ei in den Kirchen Wittenberges ver-
anlaßte, verließ Luther, ohne sich an Bann und Acht zu
kehren, die Wartburg, stellte in Wittenberg durch Predigt
und Schrift die Ruhe wieder her und setzte mit seinem ge-
lehrteren Freunde, dem milden, besonnenen Philipp Me-
lanchthon, Professor der griechischen Sprache, auf das
thätigste das Werk der Reformation fort.
Auch von dem Landvolke wurden Luther's Schriften,
besonders wegen ihrer derben Sprache, begierig ausgenom-
men ; aber im südlichen Deutschland und am Rhein, wo die
Bauern von der Zeit der Städtekriege her schon früherhin
oft Aufstände gemacht und allemal die Religion mit
ein ge mischt hatten, wurde die Lehre von der „evan-
gelischen Freiheit" mißverstanden: sie verlangten von ihren
Gutsherren Freiheit von Abgaben und anderen Lasten, und
da ihnen ihre Forderungen verweigert wurden, erhoben sie
sich im Aufruhr, und so entstand
1324—23 der schreckliche Bauernkrieg in Schwaben und
am Rhein, und in Folge davon der durch den wiedertäu-
ferischen Schwärmer Thomas Münzer erregte Bauern-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Luthern Friedrich Philipp_Me- Philipp Thomas_Münzer
Extrahierte Ortsnamen: Wartburg Wartburg Wittenberg Deutschland Rhein Schwaben Rhein
248 r §. 89. Fortgang der Reformation.
Luther den großen und kleinen Katechismus ausarbeitete, mit
allem Ernst und Fleiß betrieben.
Da sich, hiedurch erschreckt, die katholisch gebliebenen
Fürsten über strenge Gegenwirkungen beriechen, schloßen die
evangelischen Fürsten zur Sicherung des Errungenen
1326 das Torgauer Bündniß. Dagegen brachten die katho-
lischen Stände, die sich unterdessen (bei Gelegenheit der Krö-
nung Ferdinands zum Könige von Böhmen) näher verständiget
hatten, cs dahin, daß
1329 der Reichstag zu Speyer, (den zunächst das Vordrin-
gen der Türken veranlaßte) das bisher nicht befolgte Wormser
Achtsedict gegen Luther erneuerte und jede weitere Verbreitung
seiner Lehre verbot, wogegen aber die evangelischen Stände
feierlich protestirten und daher den Namen Protestanten
erhielten.
Nun brachten.einige lutherische Stände (namentlich Hessen
und Sachsen) ein Bündniß mit den Zwinglischgesinnten in
Vorschlag, aber Luther, der in verschiedenen Ansichten Zwing-
li's offenbare Abweichungen vom wahren Glaubensgrunde
sah, rieth davon ab. Um daher eher zum Zwecke zu kommen,
suchte der Landgraf von Hessen, welcher Luthers Lehre inner-
lich weniger erfaßt hatte, zunächst die streitenden. Theologen
zu vereinigen, und lud sie daher noch in demselben Jahre zu
einem Religionsgespräch nach Marburg. Allein
Luther und Zwingli konnten sich dabei über die Lehre
vom heiligen Abendmahl nicht vereinigen, und obwohl sie
persönlich in Liebe schieden, so blieb doch die längst eingetre-
tene verderbliche Trennung der Protestanten in Luthera-
ner und Reformirte fortbestehen; ja sie schärfte sich
in der Folge nur noch mehr. (s. §. 91 a. E.)
Da man den Kaiser, der die Protestation nicht ange-
nommen hatte, immer strenger auftreten sah, so entstund
unter den lutherischen Ständen die Frage über das Recht
des Widerstandes gegen das Reichsoberhaupt. Obgleich
die sächsischen Juristen dieses Recht behaupteten, so erklärte
«doch Luther, daß dasselbe nicht in der heiligen Schrift ge-
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Extrahierte Personennamen: Ernst Ferdinands Luthers Luther
250
§- 89. Fortgang der Reformation.
Schutzschrift ausgehen, welche unter dem Namen Apolo-
g i e sammt jenem Glaubensbekenntnisse zu den symbolischen
Schriften der lutherischen Kirche gehört.
Weil aber nun der Kaiser in dem Reichsabschiede den
Protestanten die letzte Frist zur Rückkehr in den Schooß
der katholischen Kirche setzte, und das mit lauter Katholi-
ken besetzte Reichskammergericht zunächst im Prozeßwege
den Protestanten beizukommen suchte: so schloßen die meisten
protestantischen Stände zur Vertheidigung ihres Glaubens
und ihrer Gerechtsame
1331 den schmalkaldischen Bund, den sogar diejenigen
katholischen Fürsten nicht ungern sahen, welche Österreichs
Übermacht (durch die Erhebung Ferdinands zkm deutschen
König) fürchteten. Doch die anf's neue drohende Türken-
gefahr bewog den Kaiser, mit den protestantischen Ständen
1332 den Nürnberger Neligionsfrieden zu schließen,
der zwar unter der Bedingung, daß man die kammer-
gerichtlichen Prozesse gegen die Protestanten einstellen
wolle, zu Stande kam, ihnen aber wegen Mangels rechts-
giltiger Form (nämlich der Zustimmung der katholischen
Ständemehrheit) noch keine Sicherheit gewähren konnte.
Doch beschwichtigte er eine Zeit lang den Ausbruch der
feindlichen Stimmung, und hatte für das gemeinsame deutsche
Vaterland den günstigen Erfolg, daß die Türken, über-
rascht von der Einigkeit der Deutschen, welche sich mit dem
größten Heere, das man seit Jahrhunderten in der Ehri-
stenheit gesehen hatte, bei Wien versammelten, ihren Rück-
zug schon in Ungarn wieder antraten, das sie jedoch noch
in ihrer Gewalt behielten.
Unterdessen war in der Schweiz der Haß der Reli-
gionsparteien (s. §. 88 a. E.) zum vollen Ausbruch ge-
kommen. Da die fünf kleinen katholischen Cantone,
wider das eidgenössische Recht, einen Bund mit Österreich
schloßen, ja Unterwalden vorher sogar ins Bernische ein-
gefallen war, so trieb Zwingli zum Krieg gegen dieselben,
mußte aber, da jene durch Berns Vermittlung den Bund
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252 §. 89. Fortgang der Reformation.
Ulrich von Württemberg, —der als Landfriedensbre-
cher von dem schwäbischen Bunde (einer 1488 gestiftete
Vereinigung süddeutscher Fürsten zur Aufrechthaltung des
Landfriedens) aus seinem Lande vertrieben worden war,— in
dieses sein Land (das der Kaiser unterdessen seinem Bru-
der, dem König Ferdinand, zu Lehen gegeben hatte) durch
Waffengewalt (1534) wieder ein zu setzen, so
daß Ferdinand sich zu einem Vergleiche zu verstehen und das
Geschehene zu bestätigen genöthigt sah.
Unter solchen Umständen geschah es um so leichter, daß
die lutherische Reformation in Deutschland-noch weiter um
sich griff. Dem Beispiele Württembergs, wo Ulrich so-
gleich die bisher von Österreich niedergehaltene (lutherische)
Reformation durchführte, folgten alsbald Elsaß, Baden
und mehrere Reichsstädte (darunter Augsburg); und in
Norddeutschland traten viele Städte ohne große Hinder-
nisse der Reformation bei. Nur in Pommern und Weft-
p h a l e n erfolgte sie unter schweren Kämpfen mit dem Kle-
rus und dem Adel:
Am heftigsten war der Kampf in Münster. Hier hatte
man schon die Augsburger Confession durchgesetzt; bald aber
fanden 1531 von den Niederlanden her die sitten- und ftaats-
gefährlichen Schwärmereien der (damaligen) Wieder-
täufer Eingang, die durch den fanatischen Schneidergesellen
Johann von Leyden (oder Jan Bockelsohn aus dem
Haag) sich bis zu den entsetzlichsten Ausschweifungen steiger-
ten , in denen sich geistlicher Hochmuth, niedrige Selbstsucht,
gemeine Sinnenlust, Rohheit und Blutdurst abscheulich
mischten und eine weit um sich greifende Zerrüttung drohten.
Endlich wurde das Unwesen durch den vertriebenen Bischof
und die vereinigten Heere der Fürsten 1535 gedämpft, aber
auch der Katholicismus daselbst wieder zurückgeführt. —
Dieser neue Auswuchs, der die protestantische Sache zu ent-
stellen drohte, hat indeß nur dazu gedient, den wahren
Protestantismus zu desto größerer Nüchtern-
heit und Klarheit zu erheben.
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Extrahierte Personennamen: Ulrich_von_Württemberg Ferdinand Ferdinand Ferdinand Ulrich_so- Johann_von_Leyden_( Johann Jan_Bockelsohn Hochmuth
§. 65. Sieg des Christenthums über das Heiventbum. 175
312 Constantin der Große diesen seinen Gegner bei Rom
besiegte, und, weil er diesen Sieg dem Zeichen des Kreuzes
znschrieb, den Christen nicht nur freie Religions-
übung, sondern bald auch Staatsbürgerrechte ein-
räumtc.
Eine Zeit lang regierte Constantin gemeinschaftlich
mit Licinius; nachher verschaffte er sich im Kampfe mit
demselben die Alleinherrschaft über das ganze
römische Reich. Er ordnete hierauf dasselbe durch eine
neue Eintheilung, verbesserte die Verwaltung, sicherte die
Gränzen, verlegte seine Residenz aus dein republikanisch und
heidnisch gesinnten Rom nach dem von ihm neu erbauten
Byzanz (das von nun an den Namen C o n st a n t i n o p e l
bekam), weil diese E n t f e r n u n'g von Rom ihm die
D u r ch f ü h r u n g seiner m o n a r ch i s ch e n und ch r i st-
lichen Grundsätze erleichterte, und erhob sodann,
obgleich selbst noch nicht getauft, das Chriftenthum
zur Staatsreligion.
Dadurch bekamen von nun an die Christen die Oberhand;
das Heideuthum dagegen mit seinen Tempeln und Priestern
gerieth in völlige Abnahme und mußte von jetzt an selber die
Unterdrückung, Verachtung und Verfolgung leiden, die cs dem
Christenthum angethan hatte. Dieses aber hatte unterdeß
seinen eigenthümlichen Entwicklungsgang genommen und sich
bestimmter zu einer allgemeinen Kirche ausgebildet.
Da nämlich frühe schon in das Innere der Gemeinden
mancherlei Jrrthümer eingedrungen und Secten daraus ent-
standen waren, so war es zur Erhaltung der Einheit um so
nöthiger geworden, daß sich die Gläubigen eng aneinander
hielten und alle Irrgläubigen aus ihrer Gemeinschaft aus-
schloßen. Nach dem Zeitalter der Apostel bekam in den Ge-
meinden unter den Presbytern Einer allmählig höheres An-
sehen und wurde als Bischof vor den übrigen ausgezeichnet.
Mit der Vermehrung der Glieder und der Verwaltungsge-
schäfte bildete sich der besondere Stand der Geistlichkeit (des
Klerus) mit seinen verschiedenen Abstufungen, und unter ihnen
f
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Extrahierte Personennamen: Constantin Constantin Apostel
z. 65. Sieg des Chrkstenthums über das Heidenthum. 177
der Gesinnung bei den meisten Christen ab; und da nicht das
ganze Leben der Kirche nach Innen und Außen vom christ-
lichen Geiste durchdrungen ward, sondern heidnische Gebräuche,
heidnische Gesetze, heidnische Philosophie fortwährend ihren
geheimen Einfluß übten: so überwog in der Kirche nur zu
bald die äußere Form über das innere Wesen und that der
Wirkung des Evangeliums Abbruch.
Eben das bereits eingerissene Verderbniß unter vielen Be-
kennern der christlichen Kirche und die verkehrt-christliche Er-
ziehung, welche Constantius' Nachfolger Juliarrus (Apostñta,
361—363) am Hofe erhalten hatte, war Schuld, daß dieser
sonst geistvolle und sittenstrenge, aber von Leidenschaftlichkeit
und Eitelkeit nicht freie Kaiser sich lieber der heidnischen Phi-
losophie zuwendete, und in seinem, nur auf das Äußerliche
gerichteten Sinne das Christenthum verspottete, dagegen das
Heidenthum durch Verbesserung seines Cultus wieder zu be-
leben suchte. Doch dieß gelang ihm nicht, und als er in einer
Schlacht gegen die Perser gefallen war, setzte sein Nachfolger
I o v i a n das Christenthum wieder in seine Rechte ein.
Während hierauf Kaiser Valentinian I im Occident
Duldung übte, begünstigte Valens, sein Bruder und Mit-
regent im Orient, den Arianismus, und verfolgte die An-
hänger der allgemeinen Kirche. Erst der Nachfolger des
letztem, Theodosius der Große (379—395), verschaffte
durch die obgenannte Kirchenversammlug zu Constantinopel
(381) dem nicänischen Glaubensbekenntnisse allgemeine
Geltung, und suchte, besonders als er 392 alleiniger Herrscher
über das ganze Reich wurde, durch das strengste Verbot des
Götzendienstes den Sieg des Christenthums zu befestigen.
Allein die römische Welt war sittlich schon zu versunken., als
daß das Evangelium in ihr hätte lebendig werden können.
Dasselbe bedurfte einen frischeren, unverdorbeneren Boden,
um recht tiefe Wurzeln schlagen zu können. Und diesen fand
es in der germanischen Welt.
12
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